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Morddrohungen in Kampen? Who the fuck is Alice?

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Morddrohuing in Kampen

Vor ungefähr 20 Jahren schrieb Gigi D’Agostino ein Liebeslied. Der Titel war alles andere als ein Misserfolg. Das Video wurde 475 Millionen Mal aufgerufen und mit vier goldenen und fünf Platinschallplatten ausgezeichnet.

Musikalisch gesehen ist es eine Art Kinderlied, das mit massiven Elektrobeats zu einem Gassenhauer wurde. In den Hitparaden tauchte es auf, wurde weltweit ein Hit und verschwand dann in den Tiefen der Charts. Und doch war seine Hookline so prägnant, dass sie als Partyhit zum Mitgröhlen taugt. Schöngeister unter den Musikliebhabern wünschen sich spontan, dass Kurt Cobain eine schusssichere Weste getragen hätte.

Wann immer die Promillegrenze ein bestimmtes Maß erreichte, begannen fortan in der Provinz die Platzhirsche „düpp düdü düpp“ zu röhren und Tänze aufzuführen, die an die guten alten Balztänze der 80er Jahre erinnerten. Und irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern saß wohl der örtliche Musikverein national denkender Jugendlicher und hatte einen Songtext, aber keine Musik dazu. An dem Text hatte man zwei Jahre geschrieben:

Deudschlant dehn Deudschen. Ausslender rauss.“

Unbekannter Philosoof

Die Offenbarung lief dann am 20. April 2023 im Radio und das Glück war vollkommen. Endlich würde die völkische Landjugend Brandenburgs nicht mehr über sie lachen. Ein Hit war geboren. Und fortan grölten sie ihren Hass in den trüben Himmel der Ostsee. Sogar in den fernen Großstädten kam ihr Songtext an und wurde mitgesungen. Erinnert ein wenig an den verliebten Nachbarn von Alice, der immer mal wieder fragte, wer, the fuck, Alice eigentlich sei? Mit dem Unterschied, dass die Songtexter aus dem Osten es weniger romantisch meinten.

Seitdem ist aus dem „Wir-haben-zwei-zu-null-gegen-TSV-Hattstedt-fünfte-Mannschaft-gewonnen-Kabinen-Hit“ ein No-Go geworden. Dass die Sangesfreude auch Sylt erreicht, war absehbar. Eigentlich nicht ernst zu nehmen, denn die Protagonisten, die sich im Pony auf ein geistiges Niveau von paarenden Amöben hinuntersoffen, sind wahrscheinlich keiner rechten Splitterpartei zuzuordnen. Besorgniserregend ist, dass ein MdL der AfD dem unmusikalischen Quintett einen Job anbieten will, weil sie „stabil“ geblieben wären.

Das Wespennest der Meinungsfreiheit

Es ist ein Wespennest, in das man als Journalist tritt. Berichtet man neutral und beschreibt die Fakten, dann wird einem ein Strick gedreht. Tendiert man nach links, dann wird man bombardiert mit negativen Kommentaren und Nachrichten, bis hin zur Bedrohung. Nach rechts will man natürlich nicht tendieren. Aber da reicht es schon, die Sache nicht als Staatskrise zu beschreiben.

Es ist kein Geheimnis. In grauer Vorzeit wurde im Ringelspiel am 20. April Frikadelle mit Senf-Hakenkreuz serviert und Sekt aus Stahlhelmen getrunken. Das nahm keiner ernst. Der Staatsschutz war da gar nicht interessiert. Man fokussierte sich eher auf Michael Kühnen, den schwulen Parteiführer der NPD in Hessen. Schlagzeilen hätte damals der Gesang der Amöben nicht gemacht. Wahrscheinlich hätten sie Hausverbot gekriegt und im besten Fall was hinter die Ohren. Doch es war eine andere Zeit. Eine Zeit, in der Westerland Schwesterland war und Schwul, links, rechts oder Mitte keine Rolle spielte. Gelebter Humanismus auf der Insel. Jeder konnte im Rahmen der Gesetze und eigenen Möglichkeiten machen was er wollte. Das hat Sylt groß gemacht.

Auch die Tatsache, dass Prominente hier als ganz normale Menschen behandelt wurden. Den Syltern war es egal, ob nun ein Karl Dall, Mike Krüger oder sonstwer mit ihnen in der Schlange beim Bäcker anstand. Die Leute wurden auch nicht behelligt.

Aber das ist eine andere Geschichte. Und die endete mit Instagram, Facebook und Tiktok. Der Vorfall zeigt , dass fünf Sekunden geistiger Aussetzer ein Leben ruinieren können. Verdient oder nicht, es zeigt die Unmenschlichkeit der sozialen Netzwerke. Da werden Menschen mit Nachrichten überschüttet, die einen ähnlichen Namen haben oder aber ähnlich aussehen. Die „Gutmenschen“ eskalieren. Am Ende sind sie nicht besser, wie die „Sänger“.

Unverzeihlich war ihr Fehler sicherlich. Doch noch schlimmer sind ausgesprochene Morddrohungen gegen die Pony-Inhaber. Da fragt man sich spontan, woher die Drohung kam. Von Linksradikalen, weil sie das Gegröle nicht gleich unterbunden haben – was faktisch kaum möglich war – oder von Rechtsradikalen, weil sie die Leute geoutet haben. Oder von der Mitte, weil sie gegen den Datenschutz verstoßen haben.

Und Gigi fährt mit Urlaubsgeld nach Malle

Der einzige Gewinner ist Gigi, der heute Morgen in seinen Spotify-Account schaut und sich über die unerwarteten Einnahmen freut. Das Lied auf den Index zu setzen, wird nochmals einen Hype auslösen, denn nichts ist interessanter als das Verbotene.

Dies soll nun der letzte Beitrag zu einem Thema sein, der die Inselschlagzeilen unverdient befütterte. Viel schöner wäre es gewesen, wenn am Wochenende mehr Leute zu den Jugendfußballspielen des TEAM SYLT gekommen wären. Gelebte Integration kann man dort nämlich live erleben. Und die Jungs können richtig gut kicken.

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