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Macher und Malocher auf Sylt Teil 1 – Öger Akgün

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Öger Akgün

Wer hat auf Sylt eigentlich die Fäden in der Hand? Wer ist erfolgreich – und wer nicht?

Ray Croc, der Gründer von McDonald’s, hat einmal sein Erfolgsrezept verraten: „Du kannst begabt sein, du kannst wohlhabend sein oder eine großartige Geschäftsidee haben. Das alles nützt dir nichts. Die Geheimformel für Erfolg ist Ausdauer.“

Bevor ich zur eigentlichen Erzählung komme, möchte ich eine kurze Anekdote teilen, um gedanklich eine andere Richtung einzuschlagen. Vor einigen Jahren erlebte das Skateboarden, insbesondere das Longboarding, einen gewaltigen Hype. Es wurden Millionen verdient. Doch wie üblich in dieser Industrie, bricht der Hype etwa alle 10 Jahre zusammen. Warum? Ein Kollege aus dem Concrete Wave Magazin in Kanada brachte es einfach auf den Punkt: „Fällt dir nicht auf, dass die meisten dieser Leute – Marken, Händler und Distributoren – weder studiert haben noch einen betriebswirtschaftlichen oder sozialpolitischen Hintergrund haben? Wie können sie einen so riesigen Markt nachhaltig gestalten? Es geht immer nur um den schnellen Dollar. Diejenigen, die es klug anstellen, kommen von außerhalb der Szene. Sie machen ihren Profit und verschwinden dann wieder. Zurück bleibt eine ausgebrannte Industrie, angeführt von Leuten, die keine zukunftsweisenden Visionen haben.“ Das ist die Essenz dessen, was ich mitteilen wollte.

Nun, was hat das mit Sylt zu tun? Ersetzen wir „Szene“ und „Industrie“ durch das Wort „Insel“.

Der Porsche Cayenne wird oft als Standardfahrzeug der Insel bezeichnet. Oftmals sieht man diese Luxuskarossen mit NF-Kennzeichen durch die Innenstadt fahren. Besucher fragen sich, woher die Sylter so viel Geld haben? Sind es erfolgreiche Unternehmer? Der Schein trügt, denn in vielen Fällen ist das Vermögen vererbt. Kaum ein Grundstück auf der Insel, das nicht das Drei- oder Vierfache vom Festlandswert hat. Nach dem Erben wird es meist verkauft. Sei es ihnen gegönnt. Doch leider geht mit viel Geld auch eine Menge Macht einher. Und diese ist oft in den falschen Händen. Das ist es, was ich mitteilen wollte.

Aber es gibt auch Menschen auf Sylt, die durch kluges Handeln, Weitsicht und Fleiß etwas erreicht haben. Jürgen Gosch, Herbert Seckler oder auch Öger Akgün. Sie alle sind quasi Prototypen des „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Fangen wir jedoch mit dem jüngsten Vertreter dieses Trios an: Öger Akgün.

Öger Akgün – Eine Erfolgsstory auf Sylt

Seine Geschichte beginnt 1974. Er wurde in Tomarza, einer Stadt mit 40.000 Einwohnern, geographisch ziemlich genau in der Mitte der Türkei, geboren. Mit drei Jahren zog er zusammen mit seiner Mutter Esehatun, zwei Schwestern und zwei Brüdern von Zentralanatolien nach Sylt. Sein Vater war bereits seit einigen Jahren im Land und verdiente gutes Geld im Baugewerbe.

Auf der Insel war der Ausländeranteil in den 70er/80er Jahren sehr gering. Der Empfang auf der Insel war entsprechend herzlich, und als einziger Türke auf dem Sylter Gymnasium war er so etwas wie ein Exot. Da weder seine Mutter noch sein Vater sonderlich gut Deutsch sprachen, verbrachte er viel Zeit mit seinen Freunden während seiner Schulzeit auf der Insel, unterhielt sich auf Deutsch und wuchs so zweisprachig auf.

Interessant wird sein Werdegang nach der Schule. Anstatt zu studieren, entschied sich Öger für eine klassische Ausbildung. Die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage ist die Einstiegsstufe in Lehrberufe wesentlich kleiner geworden. Die Entscheidung, Fahrzeuglackierer zu lernen, war damals nicht ganz abwegig. Doch natürlich hätte Öger auch gerne studiert. Eine zusätzliche Wohnung und Studiengelder aufzubringen, das war den Eltern leider nicht möglich. Sie mussten an allen Ecken und Enden sparen. Am Ende war die Entscheidung für die Ausbildung richtig.

Öger Akgün – erfolgreich mit keiner wirklich neuen Geschäftsidee

Das und eine große Portion Leidenschaft dürfte in Öger Akgüns Fall der Hauptgrund für das sein, was folgte. 1995, mit 21 Jahren und dem Gesellenbrief in der Tasche, begann er eine simple Geschäftsidee umzusetzen: Autos waschen. Denn jedes Mal, wenn Autos in seinen Lehrbetrieb kamen, war dies der erste Arbeitsschritt – und als Azubi wurde er natürlich dazu verdonnert. Doch was heißt verdonnert? Es brachte ihm mächtig Spaß, die Fahrzeuge auf Hochglanz zu bringen, bevor die Lackierarbeiten durchgeführt wurden.

So startete er also sein Geschäft. Dass man „dem Türken“ sein 100.000 Mark teures Auto anvertraute, bedurfte anfänglich Überzeugungsarbeit. Die Gäste kamen nicht von der Insel und hatten Vorbehalte gegenüber Ausländern.

„Nachher kommt der mit meinem Auto nicht wieder“

unbekannter Kunde

Doch die Beharrlichkeit sollte sich auszahlen. In Form von Stammkunden und einem Bankkonto, das sich dank der Sparsamkeit außerordentlich gut entwickelte. Niemand hatte bisher die Idee, Luxusautos zu waschen. Das öffnete ihm ein Monopol, das er bis heute nicht aus der Hand gegeben hat.

Die Arbeitsweise und die Zuverlässigkeit verschafften Öger Akgün einen guten Ruf und Kooperationen mit nahezu allen großen Sylter Unternehmen. Die Kontakte verschaffte ihm der Sylter Reeder Sven Paulsen, der von dem Jungen und seiner pragmatischen Denkweise begeistert war.

Aber Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Dass Sparsamkeit und ein gut gefülltes Bankkonto sich nicht sonderlich mit dem Finanzamt vertragen, wurde dem umtriebigen Unternehmer schnell klar. Am Ende kommt die Steuer und frisst das ganze hart verdiente Geld wieder auf. Zeit zu investieren. In eine Gebäudereinigung, eine Autovermietung oder in Häuser.

Der alte Wasserturm in Niebüll ist eine der unkonventionelleren Ideen. Es gilt als eines der amüsantesten Hotels Deutschlands. Öger Akgün selbst konnte bisher keine Nacht dort verbringen, da es dauerhaft ausgebucht ist.

40 Unternehmen – ist so etwas möglich? Es wird gemunkelt, dass er an 40 Unternehmen beteiligt ist oder diese leitet. All diese Geschäfte führt er mit großem Einsatz, einem strukturierten 16-Stunden-Tag und einem Quäntchen Glück. Gelegentlich gibt es anfängliche Rückschläge, aber am Ende bringt er alles auf den richtigen Kurs.

Strandkorbvermietung – in ganz Nordfriesland

Zwei neue Projekte hat letztes und dieses Jahr begonnen: Zum einen die Vermietung, Herstellung und Pflege von Strandkörben. Was die wenigsten wissen: Nur ein Teil der Strandkörbe steht am Sylter Strand. Eine beträchtliche Anzahl von Körben befindet sich auf privatem Grund. Das Reinigen und Aufstellen übernimmt er mit seinem Unternehmen. Mit der Herstellung eigener Körbe geht er nun den nächsten Schritt. Denn die Gäste sind verrückt nach den Strandkörben – hergestellt in Nordfriesland. Und so baut er aktuell eine Halle in Niebüll, vermietet in Dagebüll und auf Wyk. Ein kleiner Shop darf nicht fehlen.

Syltquelle – der größte Coup

Soziales Engagement Der mittlerweile stolze Vater von zwei Töchtern und seine Frau Ayse sind zu einer Musterfamilie auf Sylt geworden. Auch deshalb, weil Öger Akgün von Anfang an entschieden hat, nicht das türkische Leben auf der Insel zu leben. Die fehlende Integration in die Gesellschaft und der damit verbundene Verlust der Freiheit, den viele seiner Landsleute bevorzugen – das war nicht sein Weg. Und der Erfolg gibt ihm recht. Nicht nur moralisch. Er setzt mittlerweile auch gesellschaftliche Zeichen. Eine klare Positionierung gegenüber Erdogan zum Beispiel oder sein finanzielles Engagement in vielen sozialen Einrichtungen. Er kämpft für den Erhalt der Strukturen auf der Insel. Unter anderem mit „Merret reichts“ oder seiner eigenen Initiative „Für ein besseres Sylt“. All das erfolgreich in einen Tag zu quetschen, scheint unmöglich. Zwar ist er selbst kreativ tätig, aber er kann nicht gleichzeitig alles leiten. Sein letztes Auto hat er nach eigenen Angaben vor Jahren gewaschen. So hat er ein ausgewähltes Team an motivierten Mitarbeitern, denen er das Management vertrauensvoll überlässt. Dadurch schafft er sich die notwendige Zeit, um auch an anderen Projekten zu arbeiten, wie zum Beispiel Ögers Musikschule.

Inselpolitik der nächste Schritt?

Nikolas Häckel ist aufgrund seiner gesundheitlichen Konstitution nicht mehr lange Bürgermeisteramt. Vielleicht noch dieses oder nächstes Jahr. Dann wird Öger Akgün 50 Jahre alt sein. Bis dahin kann er noch viele Porsche Cayenne waschen lassen. Vielleicht kann er der Inselpolitik ein wenig die Augen öffnen und zeigen, dass gelebter Kapitalismus und Humanismus durchaus Hand in Hand gehen können. Denn wir brauchen Macher auf Sylt.

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